Litauer mögen die Deutschen nicht

Die Deutschen werden abgezockt

Mönchengladbach / Vilnius / Klaipeda 17. April 2018. Im Juli 1993 hatte Maria K. bei der Stadtverwaltung Klaipeda eine selbständige Arbeit angemeldet. Um an Geld zu kommen, hat die litauische Bürgerversicherung SoDra die selbständige Tätigkeit als juristische Person eingestuft.

Am 13. Juli 1993 hatte Maria K. bei der Stadtverwaltung Klaipeda eine selbständige Tätigkeit angemeldet aber nie ausgeübt. Es ergab sich keine Möglichkeit, selbständig Geld zu verdienen. Sie reiste 1994 als Spätaussiedlerin nach Deutschland aus und erhielt 1996 die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihre Eigentumswohnung in Klaipeda wurde von Arturas Juskenas, den Trainer des weltbekannten Handballvereins Dragunas Klaipeda, verwaltet.

Die Deutsche Maria K. war inzwischen im Rentenalter und beantragte 2012 bei der litauischen Bürgerversicherung SoDra (Valstybinio socialinio draudimo fondo valdyba prie Socialinis apsaugos ir darbo ministerijos, VSDFV) eine Altersrente. Als Spätaussiedlerin erhielt sie eine Einmalzahlung von etwa 700 Euro.

Im Jahre 2016 beantragte die SoDra beim Bezirksgericht Klaipeda ein Insolvenzverfahren gegen die Deutsche. Am 30. September 2016 leitete das Bezirksgericht Klaipeda das Insolvenzverfahren ein. Das Aktenzeichen des Bezirksgerichts Klaipeda: Civiliné byla Nr. eB2-1519-538/2016 (Proceso Nr. 2-57-3-00581-2016-0). Das Gericht bestellte Violeta Laimiene aus Kaunas zur Insolvenzverwalterin.

Die SoDra hatte im Antrag an das Bezirksgericht Klaipeda angegeben, die Deutsche habe Arbeitnehmer beschäftigt und keine Beiträge an die SoDra abgeführt. Arturas Juskenas geriet in Verdacht, illegal auf den Namen der Deutschen Arbeitnehmer bei der SoDra angemeldet zu haben.

Die Deutsche hat die Anwaltskanzlei BNT aus Vilnius beauftragt. Der Rechtsanwalt konnte nicht feststellen, dass die Deutsche Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Nun behauptete die SoDra, es waren keine Arbeitnehmer angemeldet, sondern die Deutsche sei selbst in der Bürgerversicherung versicherungspflichtig gewesen. Darum wurde das Insolvenzverfahren weitergeführt.

Die SoDra behauptete, die Deutsche sei eine juristische Person. Das ist nicht nachvollziehbar. Ein Mensch kann keine juristische Person sein. Aber wie ein Mensch braucht auch die juristische Person eine Geburtsurkunde, ein Dokument, in dem die Gründer der juristischen Person festlegen, wann die juristische Person gegründet worden ist, welchen Zweck die juristische Person erfüllen soll und welche Menschen berechtigt sind, die juristische Person zu vertreten.

In Litauen werden alle die Firmen betreffenden Dokumente bei der staatlichen Registratur „Valstybis imones Registras centras, Vinco Kudirkos g. 18-3, 03105 Vilnius“ gesammelt. Für die Deutsche ist dort am 14. Juli 1993 ein Blatt vom 13. Juli 1993 archiviert, also die Anmeldung der selbständigen Tätigkeit bei der Stadt Klaipeda. Für eine juristische Person müssten am 14. Juli 1993 noch weitere Dokumente in der Registratur archiviert sein, auf jeden Fall eine Gründungsurkunde. Außerdem müssen in Litauen juristische Personen (zum Beispiel Aktiengesellschaft) ein Gründungskapital nachweisen. Weil aber nur ein Blatt archiviert wurde, ist bewiesen, daß am 13. Juli 1993 keine juristische Person bei der Stadtverwaltung Klaipeda angemeldet worden war.

Am 14. März 2017 hat Violeta Laimiene bei der staatlichen Registratur 6 Blätter eingereicht: „Prašymas registruoti Juridinis asmens registre / Del bankrutavusio teisinio statuso registravimo“. Auf deutsch: Antrag auf Eintragung im Register der juristischen Personen/Registrierung des Konkursstatus. Violeta Laimiene meint also, ihr Antrag auf Eintragung in das Register der juristischen Personen könnte die Gründungsurkunde und den Nachweis über das Gründungskapital ersetzen. Das ist naiv.

Für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin beansprucht Violeta Laimiene eine Vergütung. Sie hat aber nicht mit der Deutschen über eine Vergütung verhandelt. Violeta Laimiene hat es vorgezogen, die Deutsche wegen der Vergütung vor dem Bezirksgericht Klaipeda zu verklagen. Das Gericht hat ihr eine Vergütung in Höhe von 4850 Euro zugebilligt.

Was jetzt kommt ist der Knalleffekt: Die Anwaltskanzlei BNT forderte die Deutsche auf, mit Violeta Laimiene einen Vergleich über die Zahlung des Betrages von 4850 Euro zu schließen. Einen Vergleich nach dem Urteil des Gerichts? Man kann einen Vergleich schließen, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Jeder Rechtsanwalt ist verpflichtet, für seinen Mandanten beim Gericht alles zu erreichen, was erreichbar ist. Das hat der Rechtsanwalt erreicht: Eine gerichtliche Entscheidung gegen eine nicht existierende juristische Person ohne Gründungsurkunde und ohne Gründungskapital. Praktisch hat der Rechtsanwalt nichts erreicht.

Was die Anwaltskanzlei BNT versucht hat, ist sehr problematisch: Der Rechtsanwalt der Deutschen wollte dem Gegner das verschaffen, was der Gegner vor Gericht nicht erreicht hatte. In Deutschland könnte sowas als Parteiverrat nach § 356 des deutschen Strafgesetzbuches gedeutet werden:

Die Anwaltskanzlei BNT hätte vor dem Bezirksgericht Klaipeda von Anfang an für klare Verhältnisse sorgen können. Die Deutsche hat der Anwaltskanzlei BNT immer wieder erklärt, sie sei keine juristische Person und sei auch nicht an einer juristischen Person beteiligt. Nach den mir vorliegenden Unterlagen hat die Anwaltskanzlei BNT das nie beim Bezirksgericht Klaipeda vorgetragen.

Weil Violeta Laimiene gegen eine nicht existierende juristische Person geklagt hatte, darf die Deutsche an Violeta Laimiene die vom Gericht festgesetzte Vergütung nicht zahlen. Die Deutsche wird auf gar keinen Fall Geld für eine nicht existierende juristische Person zahlen. Weil die Deutsche an Violeta Laimiene nichts zahlt, betreibt Violeta Laimiene jetzt die Zwangsversteigerung des Privateigentums der Deutschen in Litauen.

In der Urlaubszeit hat die Deutsche ein Schreiben des Bezirksgerichts Klaipeda selbst beantwortet. Sie hat beantragt, Violeta Laimiene als Insolvenzverwalterin zu entlassen, weil sie ihre Aufgabe nicht erfüllt hat. Violeta Laimiene hat bei der Registratur mehrere Schriftstücke eingereicht, aber die Deutsche nie über den Inhalt informiert. Nach litauischem Insolvenzrecht muss der Insolvenzverwalter die Beteiligten umfassend über den Fortgang des Verfahrens informieren. Die Anwaltskanzlei BNT war mit dem Antrag der Deutschen nicht einverstanden und verlangte, dass die Deutsche ihren Antrag an das Gericht wieder zurückzieht. Dazu war die Deutsche nicht bereit. Darum hat die Anwaltskanzlei BNT das Mandat niedergelegt. Die Anwaltskanzlei BNT hat von der Deutschen insgesamt 7562,16 Euro an Honorar erhalten.

Autor: Wilhelm Klumbies